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Erkenntnisse der Beschäftigtenbefragung NRW 2021

Pflegen, Heilen und Betreuen in der Corona-Pandemie

Risse, C., Brauner, C., Keller, M., Krauss-Hoffmann, P. & Seiler, K. (2022). Pflegen, Heilen und Betreuen in der Corona-Pandemie – Erkenntnisse der Beschäftigtenbefragung NRW 2021. In: Psychologie der Arbeitssicherheit und Gesundheit, Transfer von Sicherheit und Gesundheit, 22. Workshop des Fachverbandes Psychologie der Arbeitssicherheit und Gesundheit 2022 (Asanger Verlag GmbH), S. 119-122

Die hohe Arbeitsbelastung in der Pflege und die zugleich große gesellschaftliche Relevanz dieser Tätigkeiten waren zentrale Punkte der medialen Berichterstattung während der Corona-Pandemie. Zwar wiesen Beschäftigte in der Pflege bereits vor der Pandemie hohe Arbeitsanforderungen auf (Lück & Melzer, 2020; Strauß, Tisch, Vieten & Wehmann, 2021), die COVID-19-Pandemie hat aber ein weiteres Schlaglicht auf die Arbeitsbedingungen in Krankenhäusern und Pflegeheimen geworfen. So ist teilweise eine Verschärfung der psychischen und physischen Belastungssituation in der Pflege sowie eine Extensivierung von Arbeitszeiten zu beobachten (BAuA, 2021; Stiftung ZQP, 2021; Pethold et al., 2020).

Auch in der Auswertung der Beschäftigtenbefragung NRW 2021 (Brau-ner, Keller, Adamek, Krauss-Hoffmann & Seiler, 2022) zeichnen sich Anhaltspunkte für Risikoschwerpunkte in diesem Bereich ab. Im vorliegenden Beitrag wird daher die Situation der Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialwesen, die immer oder häufig pflegen, heilen oder betreuen auf Grundlage einer Sonderauswertung der Beschäftigtenbefragung NRW 2021 betrachtet und Implikationen in Bezug auf Arbeits- und Gesundheitsschutz diskutiert.

1. Methodik

Grundlage der dargestellten Analysen sind repräsentative Daten der Beschäf-tigtenbefragung NRW 2021, die im Auftrag des LIA.nrw durchgeführt wurde. In der Telefonbefragung wurden zwischen April und Juni 2021 rund 2000 Beschäftigte in NRW interviewt. Nähere Angaben zur Methodik und zum Erhebungsinstrument sind im Methodenbericht und Fragebogen der Beschäf-tigtenbefragung NRW 2021 dargestellt (Magdanz, Liljeberg, Brauner, Keller, Risse & Krauss-Hoffmann, 2021).

Im vorliegenden Beitrag liegt der Fokus auf Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialwesen, die immer oder häufig pflegen, heilen oder betreuen. Überwiegend handelt es sich dabei um weibliche Beschäftigte (71 % vs. 46 %). Mehr als die Hälfte der Beschäftigten in der Substichprobe (56 %) sind nach eigenen Angaben im öffentlichen Dienst beschäftigt.

2. Ergebnisse

2.1 Arbeits- und Infektionsschutz während der Corona-Pandemie

Die betrieblichen Maßnahmen zum Infektionsschutz beurteilen die große Mehrheit (88 %) der Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialwesen, die immer oder häufig pflegen, heilen oder betreuen, als angemessen. Vier Prozent gehen die Maßnahmen zu weit und acht Prozent nicht weit genug. Gefragt nach pandemiebedingten Änderungen im eigenen Arbeitsbereich werden besonders häufig strengere Hygienemaßnahmen (99 %), Ermutigungen bei erkennbaren Krankheitssymptomen nicht zur Arbeit zu kommen (86 %) sowie mehr Aufmerksamkeit für das Thema Arbeitsschutz und Gesundheit genannt (81 %). Damit unterscheiden sie sich in dieser Hinsicht nicht signifikant von den anderen Beschäftigten.

2.2 Arbeitszeit

Trotz des hohen Anteils an Teilzeitbeschäftigung bei den Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialwesen, die immer oder häufig pflegen, heilen oder betreuen  (51 % vs. 25 %), sind diese mit hohen Arbeitszeitanforderungen konfrontiert. So leistet beinahe jede bzw. jeder Zweite Schichtarbeit (48 %) im Vergleich zu 15 Prozent unter anderen Beschäftigten. Gleiches gilt für Nachtarbeit (40 % vs. 15 %), Arbeitseinsätze (mind. einmal pro Monat) an Samstagen (60 % vs. 31 %) sowie Sonn- oder Feiertagen (56 % vs. 20 %). Zusätzlich geben sie häufiger an, dass verkürzte Ruhezeiten immer oder häufig vorkommen (24 % vs. 11 %). Ferner berichten die Beschäftigten in diesem Bereich auch häufiger von Änderungen der Arbeitszeit, wenn Arbeit anfällt (38 % vs. 27 %), während gleichzeitig die Arbeitszeitautonomie geringer ausfällt.

2.3    Belastungen

Die Beschäftigtenbefragung NRW zeigt zudem, dass verschiedene Arbeitsbe-lastungen bei Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialwesen, die immer oder häufig pflegen, heilen oder betreuen, häufiger vorkommen (vgl. Abbil-dung 1). Demnach gehört bei diesen Beschäftigten insbesondere häufiger der Umgang mit Mikroorganismen oder das Heben und Tragen von Lasten zum Arbeitsalltag. Sie übernehmen zudem häufiger Verantwortung für das Leben anderer Menschen und berichten häufiger von Konflikten mit Kundinnen und Kunden oder Patientinnen und Patienten. Hinzu kommt häufigeres Arbeiten unter Zeitdruck und das gleichzeitige Erledigen von verschiedenen Aufgaben bzw. Multitasking.

Abbildung 1: Top 10 Arbeitsbelastungen von Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialwesen, die immer/häufig pflegen, heilen, betreuen im Vergleich zu anderen Befragten (Beschäftigtenbefragung NRW 2021; 2.019 ≤ n ≤ 2.026)

2.4    Gesundheit, Arbeitsfähigkeit und Work-Life-Balance

Auch mit Blick auf gesundheitliche Beeinträchtigung zeigen sich teils erhebliche Unterschiede (vgl. Abbildung 2). Immer oder häufig vorkommende Rücken- und Gelenkbeschwerden werden insgesamt von den meisten Beschäftigten genannt, in der betrachteten Subgruppe aber noch häufiger. Auch Erschöpfung, Schlafstörungen und Kopfschmerzen werden von nahezu einem Drittel der Beschäftigten in der Subgruppe immer oder häufig angegeben und damit zum Teil doppelt so häufig wie von anderen Beschäftigten. Hinzu kommen häufigere Nennungen von fehlenden sozialen Kontakten bzw. Einsamkeit, Niedergeschlagenheit und Hauterkrankungen.

Zudem bewerten sie ihre aktuelle und zukünftige Arbeitsfähigkeit im Vergleich schlechter. So halten es 64 Prozent in der Substichprobe (vs. 81 % der anderen Beschäftigten) für eher oder sehr wahrscheinlich ihre Arbeit noch bis zum Renteneintrittsalter ausüben zu können. Auch ihre Work-Life-Balance schätzen die Beschäftigten etwas schlechter ein als andere Befragten.

Abbildung 2: Top 10 Beeinträchtigungen von Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialwesen, die immer/häufig pflegen, heilen, betreuen im Vergleich zu übrigen Befragten (Beschäftigtenbefragung NRW 2021; 2.019 ≤ n ≤ 2.025)

3. Fazit

Die Corona-Pandemie ist auch und insbesondere für Beschäftigte in der Pflege eine Belastungsprobe. Dies verstärkt die seit langem bekannte kritische Situation in den Arbeitsbedingungen. Die Auswertung der Beschäftigtenbe-fragung NRW 2021 zeigt: Beschäftigte im Gesundheits- und Sozialwesen, die immer oder häufig pflegen, heilen oder betreuen, arbeiten oft zu extremen Zeiten und weisen oft höhere Arbeitsbelastungen auf als andere Beschäftigte. Zudem sind verschiedene Beeinträchtigungen, wie Rücken- oder Gelenkbeschwerden und Schlafstörungen stärker ausgeprägt und viele halten es für unwahrscheinlicher, ihren Beruf bis zur Rente ausüben zu können. Neben dem ohnehin gebotenen Arbeits- und Gesundheitsschutz gilt es angesichts wachsender Fachkräfteengpässe (vgl. auch DIP & MAGS NRW, 2022), die Attraktivität dieses Berufsfelds zu stärken. Verhältnis- und verhaltenspräventive Ansätze, die auf den Schutz und die Förderung der Gesundheit und den Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit, die Entlastung von hohen Arbeitsanfor-derungen und eine bessere Work-Life-Balance abzielen, können hierzu Lösungsansätze für belastete Pflegekräfte (Kock et al., 2019) bieten, um die Arbeitsbedingungen in der Pflege gesundheitsgerechter zu gestalten.    

Eine Literaturliste kann bei den Autor*innen des Beitrags erfragt werden.