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Erkenntnisse aus den Beschäftigtenbefragungen NRW

Arbeits- und Gesundheitsschutz bei Basisarbeit

Seiler, K.; Krauss-Hoffmann, P.; Brauner, C. (2021): "Arbeits- und Gesundheitsschutz bei Basisarbeit - Erkenntnisse aus den Beschäftigtenbefragungen NRW". In: Große-Jäger, A. et al.: Basisarbeit. Mittendrin und außen vor, S. 292 - 307. Bonn.

Einleitung

Im Zuge der Corona-Pandemie ist der hohe Stellenwert von Basisarbeit für unsere Gesellschaft vermehrt in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt, sei es beispielsweise im Hinblick auf Menschen, die Pakete ausliefern oder Reinigungstätigkeiten übernehmen (Hall/Sevindik 2020: 17). Unter „Basisarbeit“ (auch „Einfacharbeit“ oder „Basic Work“ genannt) werden hier Tätigkeiten gefasst, „die ohne Berufsausbildung und nach kurzer Einarbeitungszeit ausgeführt“ werden können (Institut für Zielgruppenkommunikation 2020: 4). Teilweise verfügen Basisarbeitende nicht über eine berufliche Ausbildung – mitunter handelt es sich aber auch um Personen, die eine berufliche Ausbildung absolviert haben, nunmehr aber aus verschiedensten Gründen nicht mehr in ihrem erlernten Beruf arbeiten können oder wollen (Abel/Hirsch-Kreinsen/Ittermann 2014: 43; Institut für Zielgruppenkommunikation 2020: 79).

Neben Fragen der Entlohnung und Wertschätzung (Weckmüller 2020: 29) erstreckte sich die durch die COVID-19-Pandemie entfachte Diskussion im Kontext Basisarbeit auch zunehmend auf Fragen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes, beispielsweise im Hinblick auf Saisonarbeitskräfte in der Landwirtschaft oder Arbeitskräfte in der Fleischindustrie (Bosch/Hüttenhoff/Weinkopf 2020: 2–28; Lechner 2020: 22). Auch über diese viel diskutierten Beispiele hinaus zeigen Auswertungen bisheriger Beschäftigtenbefragungen aus Nordrhein-Westfalen des Landesinstituts für Arbeitsgestaltung (LIA.nrw) Nachholbedarfe beim Arbeits- und Gesundheitsschutz bei Basisarbeit auf.

So belegt eine Sonderauswertung der Beschäftigtenbefragung NRW 2018/2019 des LIA.nrw, dass Beschäftigte ohne Ausbildungsabschluss, die größtenteils zu den Basisarbeitenden gezählt werden können, nicht im gleichen Umfang wie andere Beschäftigte in die betriebliche Arbeitsschutzorganisation eingebunden sind (Seiler/Krauss-Hoffmann/Brauner 2021: 16).
Die Analysen zeigen ferner, dass Beschäftigte ohne Ausbildungsabschluss auch seltener über einen Zugang zu Angeboten der betrieblichen Gesundheitsförderung verfügen (16). Bedenklich ist dies auch gerade angesichts ausgeprägter physischer Arbeitsbelastungen bei dieser Beschäftigtengruppe wie dem Heben und Tragen von Lasten und dem Arbeiten bei Kälte, Nässe, Feuchtigkeit oder Zugluft (15-16). Teils erleben Basisarbeitende eine hohe Arbeitsintensität, beispielsweise Termin- und Leistungsdruck oder ein hohes Arbeitstempo und verfügen über weniger Handlungsspielräume als andere Beschäftigte (Hünefeld 2020: 130–131). Die Arbeit ist zudem häufig durch repetitive Routinetätigkeiten geprägt (Hirsch-Kreinsen 2016: 3). Wer häufig Routineaufgaben oder monotone Arbeiten ausführt – so zeigen wiederum Analysen der Beschäftigtenbefragung NRW 2018/2019 – hat seltener Zugang zu verschiedensten beruflichen Bildungsmaßnahmen. Vergleichsweise besonders gering ist die Teilnahme an Schulungen zu Informations- und Kommunikationstechnik und neuer Software, die wichtige Schlüsselkompetenzen für die digitale Arbeitswelt der Zukunft vermitteln (Brauner u. a.: 4–5). Insgesamt verdichten sich somit Hinweise auf eine ungünstige Konstellation aus einer geringeren Einbettung in betriebliche Arbeitsschutz- und Präventionsstrukturen und Arbeitsbedingungen, die die Maßstäbe menschengerechter Arbeitsgestaltung nicht immer erfüllen.

Das LIA.nrw hat diese ersten Anhaltspunkte für Defizite beim Arbeits- und Gesundheitsschutz bei Basisarbeit zum Anlass genommen, die Thematik in der Beschäftigtenbefragung NRW 2021 zu vertiefen und wird hierzu ausgewählte Ergebnisse vorab darlegen. Ziel ist dabei die Ermittlung der Situation der Basisarbeitenden im Hinblick auf Arbeits- und Gesundheitsschutz – auch vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie – und die hierauf aufbauende Ableitung von Gestaltungsempfehlungen für Arbeitsschutz- und Präventionshandeln.

Methodik: Beschäftigtenbefragung NRW

Grundlage der folgenden Analysen ist die vom LIA.nrw durchgeführte Beschäftigtenbefragung NRW 2021 – die aktuellste einer langen Reihe von Beschäftigtenbefragungen, die seit 1994 eine Hauptdatenquelle der Arbeitsweltberichterstattung in Nordrhein-Westfalen bilden. Im Rahmen dieser repräsentativen computergestützten Telefonbefragung wurden ca. 2.000 Beschäftigte mit Wohn- und Arbeitsort in Nordrhein-Westfalen befragt. Die Erhebung fand zwischen Ende April und Juni 2021 und somit etwa zeitgleich zum Abklingen der dritten Corona-Welle statt. In die Kontaktierung bezog das vom LIA.nrw mit der Durchführung im Feld beauftragte Befragungsinstitut sowohl Festnetz- als auch Mobilfunknummern ein (Dual-Frame-Ansatz). Die Stichprobe wurde anhand der amtlichen Gebietseinteilung geschichtet und am Mikrozensus gewichtet. Einschränkend ist darauf hinzuweisen, dass alle in die Analysen einbezogenen Angaben auf Selbsteinschätzungen der Befragten beruhen.

In Anlehnung an die oben genannte Definition erfasste die Befragung die Gruppe der Basisarbeitenden mit folgender Frage: „Reicht zur Ausübung Ihrer derzeitigen Tätigkeit eine eher kurze Einweisung am Arbeitsplatz oder ist dazu eine längere Einarbeitung im Betrieb bzw. eine formale Berufsqualifikation erforderlich?“. Bei etwa 14 Prozent der Beschäftigten (ungewichtetes n = 198) genügt eine eher kurze Einweisung am Arbeitsplatz – diese werden im Folgenden als Basisarbeitende bezeichnet.

Der Anteil der weiblichen Beschäftigten ist bei den Basisarbeitenden erheblich höher (61 %) als bei den anderen Beschäftigten (46 %). Die Basisarbeitenden unterscheiden sich von anderen Beschäftigten hinsichtlich ihrer Altersstruktur durch einen höheren Anteil jüngerer Beschäftigter bis 29 Jahre (28 % vs. 14 %) und einen geringeren Anteil von Beschäftigten zwischen 30 und 49 Jahre (30 % vs. 47 %). Der Anteil der Beschäftigten, die keine berufliche Ausbildung abgeschlossen haben, ist bei Basisarbeitenden mit 31 Prozent deutlich höher als bei anderen Beschäftigten (5 %). 24 % der Basisarbeitenden und damit mehr als unter den anderen Beschäftigten (13 %) haben keine deutsche oder mindestens eine andere Staatsangehörigkeit, nannten als Erstsprache nicht Deutsch bzw. mindestens eine andere Erstsprache oder sind nicht in Deutschland geboren. Sie blicken demnach häufiger auf eine Zuwanderungsgeschichte zurück.

Ergebnisse

Arbeits- und Infektionsschutz während der COVID-19-Pandemie

Im Zuge der COVID-19-Pandemie hatten Maßnahmen zum Arbeits- und Infektionsschutz vor Ort im Setting Betrieb bei Basisarbeit eine hohe Relevanz, da ein Ausweichen auf Homeoffice oder Telearbeit nur selten möglich war. Zugleich kann davon ausgegangen werden, dass Basisarbeitende auch im Privatleben, u. a. wenn sie in beengten Wohnsituationen leben, besonderen Infektionsrisiken ausgesetzt sind (Butterwegge 2021: 11).

Ähnlich wie in der Gesamtstichprobe beurteilte die überwiegende Mehrheit der Basisarbeitenden (84 %) die getroffenen Maßnahmen zum Infektionsschutz im Betrieb als angemessen. Nur 13 Prozent hielten die Maßnahmen für nicht weitgehend genug und drei Prozent gingen die Maßnahmen zu weit. Bei Basisarbeitenden fand in erheblich geringerem Maße als bei anderen Beschäftigten eine Verlagerung von Tätigkeiten in den Privatbereich und damit einhergehende digitale Angebote statt. Primär wurde in den Arbeitsbereichen der Basisarbeitenden auf strengere Hygienemaßnahmen (91 %) und Ermutigungen bei erkennbaren Krankheitssymptomen nicht zur Arbeit zu kommen (79 %) gesetzt, wenngleich nicht so häufig wie bei anderen Beschäftigten.

Zudem wurde vielerorts auch mehr Aufmerksamkeit auf das Thema Arbeitsschutz und Gesundheit gelegt (82 %). Dass eine Auseinandersetzung mit dieser Thematik auch nach der Pandemie verstärkt eine Rolle spielen soll, wünschen sich mehr als neun von zehn Basisarbeitenden, bei denen dies der Fall war (91 %). Strengere Hygienemaßnahmen möchten sechs von zehn Basisarbeitenden (61 %) gerne beibehalten und 78 Prozent wünschen sich auch in Zukunft, dass das Fernbleiben vom Arbeitsplatz bei ansteckenden Krankheiten der Normalfall bleibt.

Abbildung 1 Anteil der Beschäftigten, die in ihrem Arbeitsbereich aufgrund der Corona-Zeit die jeweiligen Änderungen erlebt haben (Quelle: Beschäftigtenbefragung NRW 2021)

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Einbindung von Basisarbeitenden in die betriebliche Arbeitsschutzorganisation und betriebliche Prävention

Im Zuge der Pandemie hat der Arbeits- und Infektionsschutz auch bei Basisarbeit an Bedeutung gewonnen. Basisarbeitende bewerteten die Unterstützung im Bereich Arbeitsschutz im Durchschnitt etwa genauso gut wie andere Beschäftigte, vergaben aber häufiger die Bestnote (35 % vs. 25 %). Dennoch ist es um die Einbettung der Basisarbeitenden in betriebliche Arbeitsschutzstrukturen schlechter als bei anderen Beschäftigten bestellt, was teils auch auf die häufigere Tätigkeit von Basisarbeitenden in kleineren Unternehmen zurückzuführen ist. Basisarbeitende berichten seltener als andere Beschäftigte, dass Funktionsträger für den Arbeitsschutz in ihrem Betrieb vorhanden sind, wie Sicherheitsbeauftragte (57 %), Fachkräfte für Arbeitssicherheit (49 %), Brandschutzbeauftragte (64 %) oder Betriebsärztinnen bzw. -ärzte (49 %). Bei 48 Prozent der Basisarbeitenden fungiert auch der Personal- bzw. Betriebsrat als Ansprechstelle für den Arbeitsschutz, wobei bei Basisarbeitenden Beschäftigtenvertretungen etwas seltener als bei anderen Beschäftigten vorhanden sind. Bei 81 Prozent der Basisarbeitenden kümmert sich zudem die Führungskraft um den Arbeitsschutz. Auffallend ist bei Basisarbeitenden der erheblich höhere Anteil von Beschäftigten, die nicht wissen, ob entsprechende Funktionsträger und Funktionsträgerinnen für den Arbeitsschutz in ihrem Betrieb vorhanden sind. Ferner werden Basisarbeitende zu Arbeitsschutzthemen wie zum Beispiel Betriebsanweisungen sowie anderen Maßnahmen zur Förderung und Sicherung ihrer Gesundheit seltener (79 %) als andere Beschäftigte (87 %) unterwiesen.

Abbildung 2 Anteil der Beschäftigten mit entsprechenden Ansprechstellen für den Arbeitsschutz im Betrieb (Quelle: Beschäftigtenbefragung NRW 2021)

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Auch im Hinblick auf die betriebliche Gesundheitsförderung und weitere Angebote zur Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit zeigen sich Nachholbedarfe bei Basisarbeitenden. Am häufigsten, jedoch durchweg seltener als bei anderen Beschäftigten, war bei Basisarbeitenden das Angebot von Gesundheitschecks und Vorsorgen vorhanden (42 %), gefolgt von einer ergonomischen Gestaltung des Arbeitsplatzes (37 %) und Gesundheitszirkeln, Gesundheitstagen und Mitarbeiterbefragungen (35 %). Etwas über drei von zehn Basisarbeitenden hatten Zugang zu Angeboten zur Förderung körperlicher Aktivität bzw. Bewegungssteigerung (32 %) oder zur Stärkung des sozialen Miteinanders, der psychischen Gesundheit, Stressbewältigung und Entspannung (31 %). Angebote zur Förderung gesunder Ernährung oder Ernährungsberatung (19 %) oder zur Suchtprävention (16 %) waren dagegen kaum vorhanden.

Abbildung 3 Anteil der Beschäftigten mit entsprechenden Angeboten oder Maßnahmen zur Sicherheit und Gesundheit im Betrieb (Quelle: Beschäftigtenbefragung NRW 2021)

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Gesundheit und Arbeitsfähigkeit von Basisarbeitenden

Den eigenen Gesundheitszustand schätzen Basisarbeitende im Durchschnitt auf ähnlichem Niveau wie andere Beschäftigte ein. Allerdings geben 18 Prozent der Basisarbeitenden an, dass ihr aktueller Gesundheitszustand dem besten je erreichten entspricht. Unter den anderen Beschäftigten bewerten nur 12 Prozent ihren Gesundheitszustand als so gut.

Dennoch kommen auch bei Basisarbeitenden verschiedene gesundheitliche Beeinträchtigungen regelmäßig vor. An erster Stelle der Beeinträchtigungen stehen bei Basisarbeitende Rücken- oder Gelenkbeschwerden. Diese sind bei mehr als einem Drittel der Basisarbeitenden in den vergangenen 12 Monaten immer oder häufig aufgetreten (36 %). Knapp drei von zehn Basisarbeitenden fühlen sich immer oder häufig erschöpft (29 %). Jede bzw. jeder Fünfte leidet unter häufigen Kopfschmerzen und ebenso viele fühlen sich häufig lustlos oder ausgebrannt (20 %). Von häufigen Schlafstörungen berichten 18 Prozent der Basisarbeitenden. Die für die Erholung wichtige mentale Distanzierung von der Arbeit am Feierabend gelingt Basisarbeitenden besser als anderen Beschäftigten. So fällt 18 Prozent der Basisarbeitenden, aber 25 Prozent der anderen Beschäftigten das Abschalten immer oder häufig schwer.

Ein eher durchwachsenes Bild zeigt sich auch im Hinblick auf die Wahrscheinlichkeit, die derzeitige Arbeit ausgehend von den gesundheitlichen Entwicklungen der letzten fünf Jahre in den verbleibenden Jahren bis zur Rente ausüben zu können. So liegt der Anteil der Basisarbeitenden, die es für sehr unwahrscheinlich halten, ihrer derzeitigen Arbeit bis zur Rente nachgehen zu können, bei 13 Prozent. 15 Prozent der Basisarbeitenden halten dies für eher unwahrscheinlich. 21 Prozent sehen es hingegen als eher und 52 Prozent als sehr wahrscheinlich an, bis zur Rente die derzeitige Arbeit ausüben zu können. Unter den anderen Beschäftigten sind es ähnlich viele, nämlich 51 Prozent, die es für sehr und 29 Prozent, die es für eher wahrscheinlich halten, die Tätigkeit bis zur Rente ausüben zu können. Als eher unwahrscheinlich schätzen dies 13 Prozent und als sehr unwahrscheinlich 7 Prozent der anderen Beschäftigten ein.

 

Abbildung 4 Anteil der Beschäftigten, bei denen entsprechende gesundheitliche Beeinträchtigungen in den vergangenen 12 Monaten immer oder häufig aufgetreten sind (Quelle: Beschäftigtenbefragung NRW 2021)

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Diskussion und Gestaltungsempfehlungen

Die Betrachtungen anhand der Beschäftigtenbefragungen NRW aus der Sicht der Basisarbeitenden im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen können auch für ganz Deutschland Hinweise darauf geben, wie es um den Arbeits- und Gesundheitsschutz bei der Erwerbstätigengruppe Basisarbeitender bestellt ist.

Die COVID-19-Pandemie war dabei auch und insbesondere bei Basisarbeit ein Stresstest für den Arbeits- und Infektionsschutz, zumal bei diesen Tätigkeiten kaum auf mobile Arbeit oder Telearbeit ausgewichen werden konnte. Dabei wurden die in den Betrieben getroffenen Maßnahmen von einem Großteil der Basisarbeitenden mitgetragen. Und mehr noch: Die überwältigende Mehrheit der Basisarbeitenden würde es begrüßen, wenn der Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit auch über die Pandemie hinaus größere Aufmerksamkeit beigemessen wird. Dieses Gelegenheitsfenster gilt es nun gezielt zu nutzen, um Arbeits- und Gesundheitsschutz flächendeckend zur Selbstverständlichkeit und gelebten Praxis bei Basisarbeit zu machen und dazu in der nächsten Legislaturperiode entsprechende Förderprojekte anzustoßen, um die gezielte Entwicklung von Präventionsmaßnahmen und optimierter zielgruppenspezifischer Angebote des Arbeitsschutzes voranzutreiben.

Dabei liegen Handlungserfordernisse auf der Hand. So geht ein beträchtlicher Anteil der Basisarbeitenden angesichts der eigenen gesundheitlichen Entwicklung nicht davon aus, bis zur Rente die eigene Tätigkeit ausüben zu können. Auf ein beträchtliches Risiko für Muskel-Skelett-Erkrankungen deutet die Betroffenheit von Rücken- und Gelenkschmerzen bei Basisarbeitenden hin. Doch auch eine insgesamt stark ausgeprägte Erschöpfungssymptomatik gibt Grund zur Besorgnis. Zwar fühlen sich Basisarbeitende zu Teilen durchaus gut im Hinblick auf den Arbeitsschutz unterstützt, es zeigen sich aber auch Nachholbedarfe. So kann bei Basisarbeitenden ein eingeschränkterer bzw. erschwerter Zugang zu betrieblichen Arbeitsschutzstrukturen festgestellt werden. Daher gilt es, gerade auch bei Basisarbeit bewährte Instrumente des Arbeitsschutzes wie die Gefährdungsbeurteilung und Unterweisungen in den Betrieben zu etablieren und praxistaugliche Unterstützungsangebote weiterzuentwickeln und bereitzustellen. Auch intensivierte Kontrollen des staatlichen Arbeitsschutzes – insbesondere in Risikobereichen – können dazu beitragen, eine sichere, gesunde und menschengerechte Arbeitsgestaltung bei Basisarbeit voranzutreiben und sichern fairen Wettbewerb.

Darüber hinaus zeigt sich, dass Basisarbeitende auch seltener Zugang zu Angeboten der betrieblichen Prävention und Gesundheitsförderung haben. Die im Zuge der Pandemie teilweise erprobten digitalen Formate der betrieblichen Gesundheitsförderung dürften bei Basisarbeitenden dabei nur sehr begrenzt Abhilfe schaffen, da nicht davon auszugehen ist, dass diese eine ausreichende Breitenwirkung entfalten (Adamek u. a. im Druck). Vielmehr gilt es hier, strukturellen Benachteiligungen gezielt entgegenzuwirken und die bessere Einbindung von Basisarbeitenden in präventive Strukturen zu forcieren.

Instrumente und Angebote müssen dabei noch gezielter auf bislang benachteiligte Beschäftigtengruppen zugeschnitten werden, um bestehenden Risikokonstellationen entgegenzuwirken. So ist ein ähnliches Muster wie bei Basisarbeit, nämlich hohe körperliche Arbeitsbelastungen bei gleichzeitiger schlechterer Einbettung in betriebliche Arbeitsschutz- und Präventionsstrukturen, auch bei Beschäftigten mit Migrationshintergrund zu beobachten (Keller u. a. 2021: 9–10; Krauss-Hoffmann/Füsers/Risse 2021: 31–33; Krauss-Hoffmann/Risse/Füsers 2020: 7). Dies ist nicht verwunderlich angesichts eines erheblichen Anteils von Basisarbeitenden mit Einwanderungsgeschichte (Abel/Hirsch-Kreinsen/Ittermann 2014: 42). Es unterstreicht aber auch die Relevanz eines vielfaltsgerechten Arbeits- und Gesundheitsschutzes bei Basisarbeit, der auch zielgruppenaffine Zugangs- und Ansprachewege bei heterogenen Belegschaften findet und keine Beschäftigtengruppen aus dem Blick verliert.

Ein besonderes Augenmerk gilt es auf Risikobereiche zu legen, in denen durch eine mangelhafte Umsetzung des betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes, eine fehlende Vertretung und Berücksichtigung der berechtigten (Schutz-)Interessen der Basisarbeitenden und eingeschränkte Möglichkeiten der Qualifizierung die Gefahr besteht, dass sich im Hinblick auf Gesundheit, Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit ein „toxischer Cocktail zusammenbraut“. Die Kriterien menschengerechter Arbeitsgestaltung (d. h. Ausführbarkeit, Schädigungslosigkeit, Beeinträchtigungsfreiheit und Persönlichkeitsförderlichkeit; Hacker 1984: 31–90) müssen dabei ohne Einschränkung auch der Standard bei Basisarbeit sein.

Fazit

Basisarbeitende verrichten viele, oftmals gerade körperlich fordernde Tätigkeiten, die für unsere Gesellschaft essentiell sind. Eine sichere, gesunde und menschengerechte Arbeitsgestaltung muss auch bei Basisarbeiten eine Selbstverständlichkeit sein. Zusätzlich gilt es, durch geeignete Kontrollen des staatlichen Arbeitsschutzes „menschenunwürdige Arbeitsbedingungen“, die die Gesundheits-gefährdung der Beschäftigten bewusst hinnehmen, zu verhindern. Dies kann auch dazu beitragen, die Standards zu Sicherheit und Gesundheit für Basisarbeit schrittweise auf- und auszubauen, denn Basisarbeitende verfügen – so zeigen die Auswertungen der Beschäftigtenbefragungen NRW – bislang häufig über schlechtere Zugänge zu Arbeitsschutz- und Präventionsstrukturen. Für den Erhalt der Gesundheit und Arbeitsfähigkeit von Basisarbeitenden wird es zudem entscheidend sein, Instrumente und Angebote des Arbeits- und Gesundheitsschutzes verstärkt auf diese wichtige Zielgruppe auszurichten. Die pandemiebedingte Aufmerksamkeit für diese Fragestellungen kann auch eine Chance sein, um das Thema Sicherheit und Gesundheit in den Betrieben auf der Agenda nach vorne zu rücken – so jedenfalls wünschen es sich viele Basisarbeitende. Dem verbesserten Arbeits- und Gesundheitsschutz der Basisarbeitenden kann ein breit getragener Schulterschluss von Sozialpartnern, Politik und Arbeitsschutz- und Präventionsakteuren den Weg ebnen.

Literaturliste

Abel, Jörg/Hirsch-Kreinsen, Hartmut/Ittermann, Peter 2014: Einfacharbeit in der Industrie: Strukturen, Verbreitung und Perspektiven, Berlin.

Adamek, Svenja/Brauner, Corinna/Krauss-Hoffmann, Peter/Seiler, Kai im Druck: Betriebliche Gesundheitsförderung: Mehr als Kür im Betrieb, in: Ergomed – praktische Arbeitsmedizin.

Bosch, Gerhard/Hüttenhoff, Frederic/Weinkopf, Claudia 2020: Corona-Hotspot Fleischindustrie: Das Scheitern der Selbstverpflichtung, in: IAQ-Report.

Brauner, Corinna/Krauss-Hoffmann, Peter/Keller, Manuel/Risse, Carolin/Hochgreve, Heinz-Bernd/Seiler, Kai: Heute Routine - morgen ersetzt? Repräsentative Ergebnisse der Beschäftigtenbefragung NRW zu Routineaufgaben, Substituierbarkeit und arbeitspolitische Gestaltungsansätze, in: Dokumentation des 67. Arbeitswissenschaftlichen Kongresses.

Butterwegge, Christoph 2021: Das neuartige Virus trifft auf die alten Verteilungsmechanismen: Warum die COVID-19-Pandemie zu mehr sozialer Ungleichheit führt, in: Wirtschaftsdienst 101, 11–14.

Hacker, Winfried 1984: Psychologische Bewertung von Arbeitsgestaltungsmaßnahmen: Ziele und Bewertungsmaßstäbe, Berlin/Heidelberg.

Hall, Anja/Sevindik, Ugur 2020: Einfacharbeit in Deutschland – wer arbeitet was und unter welchen Bedingungen?: Ergebnisse aus der BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2018. Bundesinstitut für Berufsbildung, Bonn. Wissenschaftliche Diskussionspapiere Nr. 218.

Hirsch-Kreinsen, Hartmut 2016: Digitalisierung und Einfacharbeit, in: WISO DISKURS.

Hünefeld, Lena 2020: Basic Work in der Logistik, in: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Hrsg.), Stressreport Deutschland 2019: Psychische Anforderungen, Ressourcen und Befinden, 127–135.

Institut für Zielgruppenkommunikation 2020: Qualitative Forschung zum Themenbereich "Einfacharbeit".

Keller, Manuel/Risse, Carolin/Brauner, Corinna/Krauss-Hoffmann, Peter 2021: Arbeit, Sicherheit und Gesundheit in Nordrhein-Westfalen: Ergebnisse der Beschäftigtenbefragung NRW 2018/2019. Landesinstitut für Arbeitsgestaltung des Landes Nordrhein-Westfalen, Bochum.

Krauss-Hoffmann, Peter/Füsers, Frauke/Risse, Carolin 2021: Arbeitsschutz und betriebliche Vielfalt, in: Zeitschrift Gute Arbeit 05.

Krauss-Hoffmann, Peter/Risse, Carolin/Füsers, Frauke 2020: Vielfaltsgerechte Arbeitsgestaltung – Wichtiger denn je, in: Ergomed – praktische Arbeitsmedizin 06, 6–11.

Lechner, Claudia 2020: Anwerbung und Arbeitsbedingungen von Saisonarbeitskräften: Studie der deutschen nationalen Kontaktstelle für das Europäische Migrationsnetzwerk (EMN). Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.

Seiler, Kai/Krauss-Hoffmann, Peter/Brauner, Corinna 2021: Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landtags Nordrhein-Westfalen am 24.06.2021 zum Antrag der Fraktion der SPD „Die Gute Arbeit von morgen für Nordrhein-Westfalen“.

Weckmüller, Heiko 2020: Gesellschaftlich sinnvolle Arbeit, in: personal.magazin, 29–32.