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Arbeitsschutz und Gesundheit

Betriebliches Gesundheitsmanagement

Die Weltgesundheitsorganisation WHO definiert Gesundheit als Zustand des vollkommenen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens und nicht als die bloße Abwesenheit von Krankheit oder körperlichen Beschwerden.
Dies greift das Betriebliche Gesundheitsmanagement auf: Arbeit so zu gestalten, dass die Beschäftigten gesund bleiben und sich außerdem wohlfühlen und gerne arbeiten, ist das erklärte Ziel.

Hohe Fehlzeiten und Fluktuation, Arbeitsunfälle, schlechtes Betriebsklima - dies sind Anzeichen dafür, dass im Betrieb nicht alles „rund läuft“. Durch Maßnahmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements kann man daran etwas ändern - im Interesse des Betriebs und der Beschäftigten.

Was ist Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM)?

Betriebliches Gesundheitsmanagement zielt in gleichem Maße auf Beschäftigte und Unternehmen ab. Betriebliche Strukturen und Prozesse sollen so gestaltet, gelenkt und entwickelt werden, dass die Arbeit, Organisation und das Verhalten am Arbeitsplatz gesundheitsförderlich ist (Uhle und Treier 2015; Weinrich und Weigel 2011).

Betriebliches Gesundheitsmanagement besteht aus unterschiedlichen Bausteinen.

Eine gute Arbeitsschutzorganisation dient der Vermeidung von arbeitsbedingten Unfällen sowie Krankheiten und bildet die Grundlage für den Aufbau eines Betrieblichen Gesundheitsmanagements. Dazu zählt u. a. die Gefährdungsbeurteilung, eine Beurteilung der Arbeitsbedingungen nach dem Arbeitsschutzgesetz.

Betriebliche Wiedereingliederungsmaßnahmen unterstützen Beschäftigte und Unternehmen nach längerer Krankheit bei der Rückkehr an den Arbeitsplatz. Ziel ist der Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit und die Vermeidung von erneuter Arbeitsunfähigkeit.
Das Angebot des BEM ist allen Beschäftigten zu machen, die innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen krankheitsbedingt fehlen. Die Teilnahme an einer BEM-Maßnahme ist für die Betroffenen freiwillig und bedarf ihrer ausdrücklichen Zustimmung und Mitwirkung.

Gemeinsam mit der oder dem Betroffenen wird ein Wiedereingliederungsplan erarbeitet. Folgende betriebliche Akteure bzw. Expertinnen und Experten sollten eingebunden werden:

  • Arbeitgeberin bzw. Arbeitgeber oder BEM-Beauftragte bzw. BEM-Beauftragter
  • Personalvertretung
  • Betriebsärztin bzw. Betriebsarzt
  • ggf. Schwerbehindertenvertretung

Mögliche Maßnahmen sind u. a.

  • eine stufenweise Wiedereingliederung
    (stundenweises Heranführen an die volle Arbeitsbelastung)
  • die Umgestaltung des Arbeitsplatzes durch unterstützende Arbeitsmittel
    (z. B. Stehpult, höhenverstellbarer Tisch, Hebehilfen)
  • ein Aufgaben- und Tätigkeitswechsel

Renten- oder Unfallversicherungsträger sind hilfreiche Ansprechpartner. Als Rehabilitationsträger können sie den Eingliederungsprozess begleiten und unterstützen. Die Deutsche Rentenversicherung bietet Formulare und Musterschreiben an und beantwortet weitere Fragen zum Thema BEM.

Maßnahmen zur Gesundheitsförderung sind vielfältig. Sie können sich u. a. auf die Bereiche Bewegung, Arbeitszeitgestaltung, Ergonomie oder Personalentwicklung beziehen.

Vielleicht sind Sie in einigen Bereichen schon (unbewusst) aktiv:

  • Bieten Sie Betriebssport oder freiwillige Vorsorgeangebote (z.B. Grippeschutzimpfung) an?
  • Stellen Sie in Ihrem Betrieb hin und wieder frisches Obst bereit?
  • Beteiligen Sie Ihre Beschäftigten an der Arbeitszeitgestaltung und Urlaubsplanung?

Wenn Sie eine der Fragen mit ja beantwortet haben, betreiben Sie bereits Betriebliche Gesundheitsförderung.

Oft haben solche Einzelmaßnahmen jedoch nicht den gewünschten positiven Effekt. Das liegt häufig daran, dass den Beschäftigten der Sinn und Zweck der Maßnahmen nicht klar ist und ihre individuellen Bedürfnisse bei der Maßnahmenplanung nicht berücksichtigt werden. Dann nehmen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Angebote nicht im gewünschten Grad in Anspruch. Um das zu vermeiden, lohnt ein Blick in den LIA.tipp - Wie gelingt betriebliche Gesundheitsförderung für vielfältige Belegschaften? Bewusstsein schaffen und Maßnahmen mit Erfolg umsetzen.

Die einzelnen Aktionen zählt man zur Betrieblichen Gesundheitsförderung. Spielen Gesundheitsaspekte bei betrieblichen Planungen und Entscheidungen, z. B. bei der Anschaffung von Maschinen oder der Gestaltung der Arbeitszeit eine entscheidende Rolle, spricht man von BGM.

Der GKV-Spitzenverband (Spitzenverband Bund der Krankenkassen) beantwortet Fragen zu Möglichkeiten der finanziellen Förderung und hat Praxisbeispiele sowie Kontaktdaten der einzelnen Krankenkassen parat.


Ist Betriebliches Gesundheitsmanagement nur etwas für Großunternehmen?

Nein! In jedem Betrieb – und sei er noch so klein – kann BGM verwirklicht werden. 

Kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) sind sogar oft im Vorteil, wenn es um die Gestaltung gesunder Arbeitsbedingungen geht, denn

  • Führungskräfte und Beschäftigte kennen sich

  • individuelle und gemeinschaftliche Bedürfnisse sind bekannt

  • Kommunikations- und Entscheidungswege sind kürzer, dadurch können Maßnahmen schneller umgesetzt werden

  • Beschäftigte können ohne großen Aufwand beteiligt werden


Praxistaugliche Beispiele aus kleinen Betrieben bietet der Handlungsleitfaden Kein Stress mit dem Stress.

BGM in einer Versicherung

In einer Versicherungsfiliale sind ca. 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt. Um die Arbeitszufriedenheit der Beschäftigten zu erhöhen, wurden von der Filialleitung bisher verschiedene Maßnahmen angestoßen, z. B.:

  • Verbesserung der Betreuung durch die externe Fachkraft für Arbeitssicherheit und den Betriebsarzt
  • Ergonomieberatung durch einen externen betriebsärztlichen Dienst
  • Betriebsausflüge
  • Vorträge zu Gesundheitsthemen (z. B. zu gesunder Ernährung)

Die Bemühungen hatten jedoch nicht den gewünschten Erfolg. Es gelang zwar innerhalb eines Jahres, die Betreuung durch die Fachkraft für Arbeitssicherheit und den Betriebsarzt zu verbessern – u. a. durch regelmäßige Arbeitsplatzbegehungen und die Einrichtung einer vierteljährlichen arbeitsmedizinischen Sprechstunde –,  die anderen Angebote wurden jedoch nur in geringem Maße in Anspruch genommen.

Im Rahmen einer Sitzung des Arbeitsschutzausschusses wurden die Ursachen für das geringe Interesse der Beschäftigten diskutiert. Zwei mögliche Gründe wurden vermutet:

  1. die Beschäftigten wurden zu wenig über den Zweck der Maßnahmen informiert
  2. die Angebote wurden zu wenig auf die Bedürfnisse der Beschäftigten abgestimmt

Um die Beschäftigten stärker einzubinden, wurde zeitgleich zur Gefährdungsbeurteilung eine Befragung durchgeführt.

Während des gesamten Befragungs- und Auswertungsprozesses wurden die Beschäftigten regelmäßig durch Meldungen im Intranet über den aktuellen Stand informiert. Die Ergebnisse der Befragung wurden bei einer Mitarbeiterversammlung vorgestellt.


1. Analyse anhand einer Beschäftigtenbefragung

Die Planung und Durchführung der Befragung übernahm eine Gruppe aus:

  • der Fachkraft für Arbeitssicherheit
  • dem Betriebsarzt
  • einer Vertreterin des Personalrates
  • der Gleichstellungsbeauftragten und
  • der Schwerbehindertenvertretung

Die Arbeitsgruppe einigte sich auf einen Fragebogen mit folgenden Themen:

  1. Beurteilung der Arbeitsbedingungen
  2. Beurteilung der Maßnahmen der Gesundheitsförderung
  3. Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Im Fragebogen konnten auch Verbesserungsvorschläge für die Gestaltung der Arbeit angegeben werden. Darüber hinaus wurde das Alter und das Geschlecht abgefragt. Die Befragung wurde anonym durchgeführt und die Teilnahme war freiwillig.


2. Auswertung der Ergebnisse

An der Befragung beteiligten sich 65 Beschäftigte (65%), ein für Mitarbeiterbefragungen durchschnittliches Ergebnis.

Die Auswertung der Fragebögen ergab folgende Ergebnisse:

Beurteilung der Arbeitsbedingungen

Insgesamt beurteilten die Beschäftigten ihre Arbeitsbedingungen eher positiv.

Positiv eingeschätzt wurde:

  • inhaltliche Arbeitsanforderungen
  • selten Mehrarbeit in Form von Überstunden
  • flexible Pausengestaltung

Als verbesserungsbedürftig eingeschätzt wurde:

  • Entwicklungsmöglichkeiten und Aufstiegschancen
  • Informations- und Kommunikationsfluss
  • soziale Rückendeckung und Unterstützung durch Kollegen und Vorgesetzte

Beurteilung der innerbetrieblichen BGM-Maßnahmen

Die Beschäftigten beurteilten folgende Maßnahmen/Angebote als besonders wichtig:

  • die sicherheitstechnische Betreuung
  • freiwillige Vorsorgeangebote (z.B. Grippeschutzimpfung, Venencheck, etc.)

  • Brandschutzmaßnahmen

Als weniger wichtig wurden die folgenden Maßnahmen bewertet:

  • Gesundheitstage
  • die arbeitsmedizinische Sprechstunde
  • die Ergonomieberatung

Die Beschäftigten äußerten folgende Wünsche hinsichtlich BGM-Maßnahmen:

  • Qualifizierungsmaßnahmen und Weiterbildung
  • Home-Office-Tage
  • Teambildungsseminare
  • Bewegungsprogramme
  • Betriebssport (z. B. Fußball)

Vereinbarkeit von Familie und Beruf

12 Beschäftigte betreuen Kinder, 11 Beschäftigte pflegen Angehörige. Aus Sicht der Beschäftigten wären folgende Maßnahmen hilfreich, um Familie und Beruf besser vereinbaren zu können:

  • Home Office (bei Bedarf)
  • stärkere Berücksichtigung der familiären Situation bei der Arbeitsorganisation (z. B. Urlaubsplanung, Terminplanung von Besprechungen)

Darüber hinaus wurde die Einrichtung eines Eltern-Kind-Büros für Notfälle angeregt.


3. Ergebnisse umsetzen

Die Ergebnisse der Befragung wurden im Arbeitsschutzausschuss vorab gesichtet und diskutiert. Es wurde beschlossen, einen Workshop anzubieten. Eine bunt gemischte Gruppe der Beschäftigten (unterschiedliches Alter, Geschlecht, mit und ohne Kinder, usw.) sollte Ideen für Maßnahmen der Arbeitsgestaltung und Gesundheitsförderung entwickeln. Geleitet wurde der zweitägige Workshop von einem externen Moderator.

Folgende Vorschläge wurden festgehalten:

  • Verbesserung des Informations- und Kommunikationsflusses durch intensivere Nutzung des Intranets der Filiale
  • Teambildungsseminare
  • Coaching für Führungskräfte
  • Ausbau der Weiterbildungsangebote
  • Erstellung einer Betriebsvereinbarung zu Home-Office-Tagen
  • Einrichtung eines Bewegungsprogramms
  • Einrichtung von Eltern-Kind-Büros

Gesundheitstage sollen weiterhin stattfinden, um neue Angebote und Maßnahmen vorzustellen. Bei der Planung der Angebote und Themen der Gesundheitstage sollen die Beschäftigten zukünftig beteiligt werden. Die Vorschläge aus dem Workshop wurden im Arbeitsschutzausschuss diskutiert und auf ihre Umsetzbarkeit geprüft. Nicht alle konnten berücksichtigt werden.


4. Durchführen der Maßnahmen und Ausblick

Drei Jahre nach Beginn des Aufbaus eines systematischen BGM hat sich der Arbeits- und Gesundheitsschutz in der Filiale nun deutlich verbessert, d.h. die regelmäßigen Angebote sind vielfältiger und werden von den Beschäftigten intensiver genutzt:

Arbeitsschutzorganisation: Die gesetzlich vorgeschriebene sicherheitstechnische und betriebsärztliche Betreuung wird durch freiwillige Angebote für die Beschäftigten ergänzt. So wird jährlich eine Grippe-Schutzimpfung angeboten. Ferner besteht die Möglichkeit, an freiwilligen Untersuchungen, z. B. Augeninnendruckmessungen teilzunehmen. Darüber hinaus wird halbjährlich eine betriebsärztliche Sprechstunde angeboten und die Gefährdungsbeurteilung fortlaufend aktualisiert.

Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM): Für Maßnahmen des BEM wurde ein Beschäftigter aus der Personalabteilung als Ansprechpartner beauftragt und eine entsprechende Weiterbildung ermöglicht. Diese personenbezogenen Eingliederungsmaßnahmen werden in Abstimmung mit der Fachkraft für Arbeitssicherheit und dem betriebsärztlichen Dienst durchgeführt. Über die Möglichkeiten und Chancen, die das BEM bietet, werden die Beschäftigten im Intranet der Filiale informiert.

Betriebliche Gesundheitsförderung:

  • Vorgesetzte sind aufgefordert, die Belange von Beschäftigten mit betreuungspflichtigen Kindern bzw. pflegebedürftigen Angehörigen bei der Arbeitsplanung besonders zu berücksichtigen.
  • Es wurden zwei Eltern-Kind-Büros eingerichtet, die es ermöglichen, im Notfall Kinder mit zur Arbeit zu bringen.
  • Vorgesetzte haben die Möglichkeit, an Coaching-Maßnahmen teilzunehmen, für Arbeitsgruppen werden Teambildungsseminare angeboten.
  • Es ist nun möglich, in Absprache mit den Vorgesetzten an zwei Tagen pro Monat im Home Office zu arbeiten.
  • Alle zwei Jahre wird ein Gesundheitstag durchgeführt. Themen wie gesunde Ernährung, Umgang mit psychischen Belastungen am Arbeitsplatz oder sportliche Ausgleichsübungen werden aufgegriffen und arbeitsmedizinische Vorsorgemaßnahmen angeboten.
  • Wöchentlich wird eine halbstündige Bewegungspause während der Arbeitszeit angeboten. Die Kosten für die externe Trainerin trägt der Arbeitgeber.
  • Die Nutzung des Intranets der Filiale als Informationsquelle wurde deutlich intensiviert. Alle für die Beschäftigten relevanten Informationen werden ansprechend und verständlich dargestellt und ständig aktualisiert.
  • Monatlich besteht für die Beschäftigten die Möglichkeit, sich während der Arbeitszeit massieren zu lassen. Die Kosten dafür müssen die Beschäftigten selbst tragen.
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Herausforderungen mit Betrieblichem Gesundheitsmanagement überwinden

Unsere Arbeitswelt befindet sich im Umbruch.
Der demografische Wandel hat eine andere Beschäftigtenstruktur zur Folge: Die Belegschaft wird durchschnittlich älter, weiblicher und bunter. Ältere Beschäftigte haben teilweise andere Ansprüche als ihre jüngeren Kolleginnen und Kollegen. Zusätzlich führt die Digitalisierung zu einer flexibleren, vernetzteren Struktur und Organisation der Arbeitswelt. Die Vermischung von Beruf- und Privatleben ist nur ein Beispiel für den Einsatz der veränderten Kommunikations- und Informationstechnologien.

Diese Herausforderungen verlangen eine veränderte Herangehensweise an die Arbeitsgestaltung, damit möglichst viele Beschäftigte das reguläre Renteneintrittsalter erreichen und auch danach weiterhin fit bleiben. Betriebliches Gesundheitsmanagement und eine durchdachte Arbeitsschutzorganisation sind unverzichtbar, um mit den veränderten Anforderungen zurechtzukommen.

 

Welche Vorteile hat BGM konkret für Ihren Betrieb?
  • Vermeidung von Arbeitsausfällen durch Unfälle oder Krankheit
  • Verbesserung von Gesundheit und Zufriedenheit
  • geringere Fluktuation
  • Anreiz bei der Anwerbung von Fachkräften
  • höhere Motivation der Beschäftigten durch Möglichkeit der Mitgestaltung des eigenen Arbeitsplatzes
  • Stärkung von Teamgeist und Zusammenarbeit
  • höhere individuelle Leistungsbereitschaft, Leistungsfähigkeit und Produktivität
  • weniger Störungen und Unterbrechungen
  • Reduzierung arbeitsbedingter Belastungen
  • positives Unternehmensimage

Die Gestaltung gesunder Arbeitsbedingungen wirkt sich insgesamt vorteilhaft auf die Wettbewerbsfähigkeit Ihres Betriebes aus.

Überblick über die Situation im eigenen Betrieb

Beim Aufbau eines Betrieblichen Gesundheitsmanagements ist es sinnvoll, sich zunächst einen Überblick über die aktuelle betriebliche Situation zu verschaffen. Die Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung können erste Anhaltspunkte liefern. Zusätzlich sollten Sie Ihre Beschäftigten zurate ziehen. Für kleine und mittlere Betriebe bieten sich vor allem die folgenden Maßnahmen an. Gemeinsam haben die hier vorgestellten Maßnahmen, dass die Ergebnisse schriftlich festgehalten werden, um sie für eine Aktualisierung der Gefährdungsbeurteilung zu nutzen.

Im Rahmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements sollen alle möglichen Belastungen, die mit der Arbeit in Zusammenhang stehen, betrachtet werden. Belastungen können entsprechend ihrer Ursache, vier Belastungsquellen zugeordnet werden.


BelastungsquelleBelastungsfaktoren (beispielhaft)
Arbeitsumgebung
  • Lärm
  • körperliche Zwangshaltungen

  • Unfall-/Absturzgefahr

  • Beleuchtung
  • Klima
Arbeitstätigkeit (Aufgaben)
  • Abwechslungsreichtum
  • Handlungsspielräume
  • körperlich schwere Arbeit

  • Verantwortung
Arbeitsorganisation
  • Arbeitszeitregelung
  • Pausengestaltung
  • Aufstiegsmöglichkeiten
Soziale Beziehungen
  • Führungsverhalten
  • Gruppenarbeit
  • Kundenkontakte


Nach dem Arbeitsschutzgesetz sind Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber verpflichtet, eine Beurteilung der Arbeitsbedingungen durchzuführen. Hierbei sollen physikalische (z. B. Lärm, Heben und Tragen) und psychische Faktoren  (z. B. Zeitdruck, monotone Arbeit) berücksichtigt werden. Diese Beurteilung ist auch unter dem Namen Gefährdungsbeurteilung bekannt. Mit ihrer Hilfe soll festgestellt werden,

  • welche Belastungen an den Arbeitsplätzen vorhanden sind,
  • ob diese Belastungen eine Gefährdung für die Beschäftigten darstellen,
  • welche Maßnahmen ergriffen werden müssen, um die Gefährdungen zu beseitigen.

Die Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung müssen nachvollziehbar dokumentiert werden. Die Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung stellt somit eine wichtige Grundlage für die Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen der Gesundheitsförderung dar.

Insbesondere für Kleinbetriebe eignen sich Einzelgespräche, um eine Beurteilung der Arbeitssituation vorzunehmen. Im vertrauensvollen Gespräch „unter vier Augen“ können Sie auf die individuelle Situation Ihrer Beschäftigten eingehen. Die Gespräche können genutzt werden, um

  • Belastungen festzustellen,
  • Wünsche und Bedürfnisse zu ermitteln,
  • persönliche Entwicklungsmöglichkeiten aufzuzeigen und dadurch die Motivation und Zufriedenheit der Beschäftigten zu fördern.

Beschäftigtengespräche sollten in regelmäßigen Abständen (mind. jährlich) geführt werden. Zusätzlich kann ein Informationsaustausch auch informell geschehen – nutzen Sie die Begegnung auf dem Gang und Gespräche „zwischen Tür und Angel“.

Beispielsweise können in einem solchen Gespräch individuelle Lösungen für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf verfolgt werden oder die Zufriedenheit mit der individuellen Arbeitssituation (z. B. Aufgabenbereich, Anforderungen, Ziele) besprochen und anschließend verbessert werden.

Ab einer Unternehmensgröße von sechs Personen lohnt sich eine moderierte Gruppendiskussion. Diese Methode wird auch als Arbeitssituationsanalyse bezeichnet.

Hierbei handelt es sich um eine strukturierte Gruppendiskussion mit den Beschäftigten, die durch eine externe Moderatorin oder einen externen Moderator geleitet wird. Nicht im Unternehmen beschäftigte Personen können die herrschenden Arbeitsbedingungen von außen besser und neutraler beurteilen.

Ziel der Diskussion mit den Beschäftigten ist es,

  • Defizite in der Gestaltung der Arbeitsbedingungen aufzudecken,
  • Ursachen von Belastungen zu finden,
  • Maßnahmen zur Verbesserung und der Gesundheitsförderung zu entwickeln.

Die Beschäftigten sitzen bei der Diskussion "mit am Tisch". Sie werden aktiv in Entscheidungsprozesse einbezogen. So entsteht eine größere Bereitschaft, an den gemeinsam beschlossenen Gesundheitsmaßnahmen teilzunehmen.

Themen, die in der Diskussion besprochen werden können, sind beispielsweise arbeitsbedingte Belastungen und Beschwerden oder auch, wie die Kommunikation und der Informationsfluss im Betrieb oder in einzelnen Abteilungen verbessert werden kann.

Eine in kleinen und mittleren Unternehmen häufig angewendete – aber mit mehr Aufwand verbundene - Methode, ist eine schriftliche Beschäftigtenbefragung. Erfahrungsgemäß ist diese Art der Befragung  ab 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sinnvoll, da es bei weniger Beschäftigten Probleme mit dem Datenschutz geben kann.

Durch eine Beschäftigtenbefragung lassen sich die Meinungen, Einstellungen, Verhaltensweisen und das Wissen rund um das Thema Gesundheit innerhalb eines Unternehmens feststellen. Diese Informationen sind wichtig, um geeignete Maßnahmen zur Gesundheitsförderung abzuleiten.

Um möglichst viele Beschäftigte zur Teilnahme an der Befragung zu motivieren, müssen Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Vorhinein wissen,

  • warum die Befragung durchgeführt wird,
  • wie der Ablauf geplant ist,
  • wer die Befragung auswertet,
  • wie die Ergebnisse veröffentlicht werden,
  • was mit den Ergebnissen passiert.

Ein sensibles Thema bei Beschäftigtenbefragungen ist, wie oben bereits angesprochen, der Datenschutz. Nur wenn die Beschäftigten sich sicher sind, dass ihre Angaben vertraulich behandelt werden, ist mit einer hohen Teilnahmerzahl – möglichst über 50% der Beschäftigten - und ehrlichen Antworten zu rechnen.

Dass die Ergebnisse der Befragungen wirklich besprochen und genutzt werden, ist entscheidend. Nur wenn die Beschäftigten merken, dass ihre Aussagen und Wünsche zu Veränderungen – möglichst Verbesserungen – führen, sind sie bereit, sich auch zukünftig an betrieblichen gesundheitsförderlichen Maßnahmen zu beteiligen.

Die Auswahl an möglichen Themen der Befragung ist sehr groß. Wichtig ist, dass Sie Fragen stellen, die zu Ihrem Betrieb passen. Fragen zur Arbeitsorganisation mit Blick auf den Umgang mit Gefahrstoffen kann in einem Unternehmen, das in der chemischen Industrie oder der Gebäudereinigung tätig ist, sinnvoll sein, für ein Dienstleistungsunternehmen weniger. 

Informationen darüber, wie Sie solch eine Befragung ganz konkret durchführen können und einen Beispielfragebogen finden Sie in der Broschüre Gute Fragen für mehr Gesundheit - Die Mitarbeiterbefragung der Unfallkasse des Bundes für ein fundiertes Betriebliches Gesundheitsmanagement.

Digitale Technologien können nicht nur als Belastungsquelle wahrgenommen werden, sondern haben das Potenzial aktiv für betriebliche Prävention genutzt zu werden. Vor dem Hintergrund zunehmender Flexibilisierung erscheinen Gesundheits-Apps und gesundheitsrelevante Wearables (Smart watches, Tracker, Fitnessarmbänder) auf dem ersten Blick als geeignete „Gesundheitsbegleiter“ im Betrieb. Unter dem Schlagwort „digitales Betriebliches Gesundheitsmanagement“ (dBGM) eingesetzt, versprechen diese Angebote nicht nur individuell zugeschnittene Maßnahmen. Ihr Einsatz soll auch die Eigenverantwortung der Beschäftigten für Gesundheit stärken, deren Produktivität steigern und ihre Gesundheitskompetenz fördern. Zu beobachten ist dabei (noch) eine starke Fokussierung auf die Förderung der individuellen Gesundheit. Die für einenachhaltige Wirkung von Maßnahmen so wichtige Gestaltung gesundheitsförderlicher Arbeitsbedingungen wird dagegen häufig weiterhin vernachlässigt.

Beim Belastungs- und Beanspruchungsmonitoring ist dies anders. Es dient der Erfassung von Stressoren, Beanspruchungen und Ressourcen von Beschäftigten auf Individualebene und liefert damit unter Beteiligung der Beschäftigten eine neue Qualität der Wissensbasis für effektive BGM-Prozesse und Maßnahmen der Arbeitsgestaltung.

Mehr Informationen in der LIA.transfer 7 "Betriebliches Gesundheitsmanagement digital unterstützt. Einführung eines Belastungs- und Beanspruchungsmonitorings".


Wo finde ich weitere Informationen und Ansprechpartner?

Ziel des BMBF-Verbundprojekts war die inhaltliche und technische Entwicklung und Erprobung eines Assistenzsystems zur ganzheitlichen Erfassung individueller Beanspruchungen von Beschäftigten sowie zum Ausbau betrieblicher und individueller Ressourcen für gesundes Arbeiten. „BalanceGuard“ unterstützt die Verknüpfung betrieblicher und individueller Präventionsstrategien und stärkt Arbeitsschutz und Betriebliches Gesundheitsmanagement.

Das Vorhaben "BalanceGuard" wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen des Förderprogramms "Arbeiten-Lernen-Kompetenzen entwickeln. Innovationsfähigkeit in einer modernen Arbeitswelt" vom 01.01.2016 bis zum 30.04.2019 gefördert

Abschlussbericht Projekt BalanceGuard: Arbeit gestalten mit digitalem Belastungs- und Beanspruchungsmonitoring.

LIA.transfer 7: Betriebliches Gesundheitsmanagement digital unterstützt. Einführung eines Belastungs- und Beanspruchungsmonitorings.

Die Arbeit in der Altenpflege ist anstrengend. Sie ist durch körperlich schwere Arbeit geprägt und durch den Stress, viele verschiedenen Arbeiten gleichzeitig und in kurzer Zeit erledigen zu müssen. Das Landesinstitut für Arbeitsschutz und Arbeitsgestaltung (LIA) führte 2015 gemeinsam mit der AWO Seniorendienste Niederrhein und dem Stadtsportbund Duisburg das Projekt „aktiv Bewegung pflegen“ durch. In diesem sollte, durch den richtigen und konsequenten Einsatz von Hebehilfen sowie durch Bewegungsangebote sowohl für Pflegekräfte als auch für die Bewohnerinnen und Bewohner, die körperliche Belastung der Beschäftigten reduziert werden.

Pflegekräfte sind belastet — sowohl körperlich als auch psychisch. Das ist das Ergebnis repräsentativer Beschäftigtenbefragungen wie z. B. der Befragungsstudie „Gesunde Arbeit NRW 2014“ des LIA oder dem „BKK-Gesundheitsreport“. Sie leiden unter Beschwerden im Rücken oder den Gelenken, fühlen sich häufig erschöpft und können auch nach der Arbeit oft nicht abschalten. Der anhaltende Fachkräftemangel in der Pflegebranche und der demografische Wandel lassen kaum eine Verbesserung ihrer Situation absehen. Umso wichtiger ist es, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in dieser Branche so zu unterstützen, dass sie möglichst lange gesund bleiben und ihre Arbeit mit Freude ausüben können. Das Projekt „aktiv Bewegung pflegen“ testet wie dies durch bewegungsorientierte Maßnahmen und Schulungen zum Einsatz von großen und kleinen Hebehilfen unterstützt werden kann.

Projektpartner des LIA waren zum einen die AWO Seniorendienste Niederrhein mit zwei Häusern in Duisburg und zum anderen der Stadtsportbund Duisburg (SSB Duisburg). Dieser bot neben seinen regulären Sportangeboten die Möglichkeit, direkt am Arbeitsplatz im Rahmen einer „aktiven Pause“ und eines Zumba-Kurses aktiv zu werden. Die Angebote wurden so koordiniert, das alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Möglichkeit hatten regelmäßig daran teilzunehmen. Denn ein Angebot, dass direkt an den Arbeitsalltag angegliedert ist, führt häufiger dazu „den inneren Schweinehund“ zu überwinden als ein Angebot zu dem man sich erst noch auf den Weg machen muss, so die Erfahrung des SSB. Auch die Seniorinnen und Senioren stellen einen Einflussfaktor auf die Arbeitsbelastung dar. Durch Angebote zur Sturzprophylaxe sollen sie selbstständiger und mobiler werden, was wiederum die Belastung der Pflegekräfte reduziert.

Genauso wichtig wie die körperliche Fitness ist der richtige Umgang mit den vorhandenen Belastungen, wie z. B. der richtige Einsatz von Hebehilfen. Diese sind zwar bekannt und in jeder Einrichtung vorhanden, doch ein regelmäßiger Gebrauch findet oft aus Gründen wie „zu umständlich“, „dauert zu lange“ oder „fehlende Routine“ nicht statt. Durch professionelle Schulungen sollte dem durch Üben der richtigen Hebetechnik entgegengewirkt werden und ein Bewusstsein für die Notwendigkeit eines regelmäßigen Einsatzes geschaffen werden.

Dass die organisatorische und inhaltliche Planung eines solchen Projekts in der Altenpflege besondere Herausforderungen mit sich brachte, betonen alle drei Partner. Doch die Ergebnisse des Projekt überzeugten: Im Schnitt nahmen 23% der Beschäftigten an den Angeboten teil und die Rückmeldungen der Beteiligten ließen auf eine hohe Akzeptanz schließen.


Quellen:

Thorsten Uhle und Michael Treier. Betriebliches Gesundheitsmanagement: Gesundheitsförderung in der Arbeitswelt - Mitarbeiter einbinden, Prozesse gestalten, Erfolge messen. 2015.

Ingo Weinreich und Christian Weigl: Unternehmensratgeber betriebliches Gesundheitsschutzmanagement: Grundlagen – Methoden – personelle Kompetenzen. 2011.

KomNet Frage-Antwort-Dialoge zum Thema Betriebliches Gesundheitsmanagement